Dr. med. Uwe Meier, Facharzt für Neurologie

#kopfsache. Ohne Hirn ist alles nichts.

Tracerdiagnose Demenz

Demenzerkrankungen: Aktueller Stand im klinischen Alltag

Eine Demenz ist per se keine Krankheit, sondern ein Komplex von Symptomen.

Eine Demenzerkrankung ist definiert als das Vorliegen alltagsrelevanter kognitiver Defizite. Die zugrundeliegenden Ursachen sind auch mit Blick auf die therapeutischen Optionen und die Prognose sehr unterschiedlich. Deshalb ist es essenziell, einen Standard an Diagnostik zur Klärung der Ursache(n) demenzieller Syndrome durchzuführen.

Aktuell empfohlene grundlegende diagnostische Schritte zur Klärung der Ursache demenzieller Syndrome: Laborchemie, zerebrale Bildgebung (Abbildung des Gehirns oder seiner Gefäße) und Objektivierung der kognitiven Beeinträchtigungen durch Testungen.

Vereinfacht lässt sich sagen, dass etwa 2/3 der Demenzen eine führende Alzheimerkrankeit zugrundeliegt, gefolgt von krankhaften Veränderungen der Blutgefäße im Gehirn als Auslöser. Die „gemischte Demenz“ ist definiert als Alzheimer- plus vaskulärer Ätiologie. Mit diesen zugrundeliegenden Pathologien sind etwa 3/4 der Demenzsyndrome in Deutschland erklärbar.

Bei der Alzheimerdemenz offenbart sich im klinischen Alltag ein Paradoxon: Die Erkrankung wird in der Regel recht spät diagnostiziert, dennoch ist sie unter Patienten mit neurokognitiven Defiziten (Einschränkungen z. B. bei Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis oder Sprache) überdiagnostiziert, schlicht weil die häufigste der Ätiologien als die wahrscheinlichste angenommen wird.

Prävalenz (Häufigkeit) von Demenz bei über 75-Jährigen:
17,4 Prozent (gemäß Diagnostisches und Statistisches Manual – DSM Psychischer Störungen)
bzw. 12,4 Prozent (gemäß ICD 10 – Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten durch die WHO)

Inzidenzrate
47,4/1.000 (DSM) bzw. 45,8/1.000 Personenjahre (ICD 10)

 

Ab 2050 müssen 2.600.000 Menschen mit Demenz/Demenzieller Erkrankung über 75 Jahren versorgt werden.

Betroffene haben im Durchschnitt neun verschiedene Versorgungsbedarfe, 90 Prozent mindestens drei – zum Großteil pflegerischer bzw. psychosozialer Natur.

Wartezeit auf einen Facharzttermin Neurologie oder Psychiatrie (Wochen)

  • Defizit an niedergelassenen FÄ für Neurologie, die 2040 in der Versorgung fehlen 30% 30%
  • Mediziner, die ärztlich tätig sind, aber nicht in der direkten Patientenversorgung 20-25% 20-25%
  • Mediziner, die nicht ärztlich tätig sind (vor dem Rentenalter) 10% 10%
Perspektive PATIENTEN

Perspektive PATIENTEN

Wie muss die medizinische Behandlung und Versorgung umgestaltet werden, um Patienten mit neurologischen und psychischen Erkrankungen gezielter und schneller behandeln zu können?

Die Patientinnen und Patienten stärken.

Wir müssen präventiv stark werden und Resilienzkonzepte fördern, den Zugang zu fachärztlicher Versorgung beschleunigen und vor Pathologisierung schützen.

Der Zugang zur fachärztlichen Versorgung mit ausreichend Zeit für eine Zuwendung beim Ersttermin und Behandlung durch einen Facharzt im wohnortnahen Umfeld ist essenziell zur Graduierung von Krankheitswert und Vermeidung von Chronifizierung sowie Förderung von Teilhabe. Die Förderung von Resilienzkonzepten als Teil der Prävention, der Schutz vor Pathologisierung und die Entstigmatisierung ermöglichen in der Folge einen nach Schweregrad bedarfsgerechten Zugang zum Gesundheitssystem.

Innovative Antikörpertherapien – Herausforderungen für die Diagnostik

Innovative Alzheimertherapien mit Aussicht auf eine Zulassung haben gemeinsam, dass sie in frühen Krankheitsstadien ansetzen müssen, um ihre Wirksamkeit zu entfalten.

Es ergibt sich eine Herausforderung für die Diagnostik, genau die Patienten zu identifizieren, die von einer Therapie profitieren. Die Prävalenzdaten für Patienten mit leichten kognitiven Störungen durch eine beginnende Alzheimererkrankung in Deutschland variieren stark. Unter Berücksichtigung dieser Spanne können wir von 1,7 bis 2,6 Mio. Betroffenen in Deutschland ausgehen. Für ein mögliches Versorgungsszenario gehen wir der Einfachheit halber von 2 Mio. Betroffenen aus.

Da die Feststellung einer begründenden Alzheimerpathologie das Ergebnis und nicht der Ausgangspunkt der Diagnostik ist, müssten zur Schätzung des Ressourcenbedarfs alle Patienten berücksichtigt werden, bei denen der Verdacht auf eine beginnende Alzheimerkrankheit besteht. Die sogenannten subjektiven kognitiven Defizite können neben der Alzheimerkrankheit auch andere Ursachen haben (v.a. vaskulär-dominierte zerebrale Läsionen, depressionsassoziierte Störungen oder andere neurodegenerative Krankheiten).

Lassen wir die Gruppe der kognitiv unbeeinträchtigten mit Alzheimerpathologie noch unberücksichtigt, könnten wir in unserem Szenario die Anzahl dieser Patientengruppen konservativ auf insgesamt 6 Mio. festlegen.

Bei dieser Gruppe müsste als Mindeststandard eine psychologische Diagnostik stattfinden, um für die weiterführende, aufwendige Diagnostik zu „filtern“. Für den zeitlichen Umfang für diese Diagnostik einschließlich Aufklärung und Befundbesprechung könnten wir der Einfachheit halber eine Zeitstunde annehmen.

Damit kämen wir auf 6 Mio. Stunden allein für diesen Teil der Diagnostik. Bei einer angenommenen Arbeitswoche mit 5 Arbeitstagen mit 8 Arbeitsstunden wären 3.000 Ärztinnen und Ärzte ein Jahr lang nur mit dieser Diagnostik beschäftigt – ohne Berücksichtigung von Urlaub und Krankheit.

Nun kann man einwenden, dass nicht alle Patienten einer Diagnostik zugeführt werden oder dies wünschen. Andererseits ist davon auszugehen, dass nach Zulassung einer wirksamen Therapie sich auch Massenmedien mit diesem Thema beschäftigen werden und die mediale Aufarbeitung auf eine Bevölkerung trifft, in der die berechtigte Angst vor einer Alzheimerkrankheit bei den über 60-Jährigen größer ist als vor Krebserkrankungen. Die Hoffnung auf eine wirksame Therapie trifft hier auf fruchtbaren Boden.

Wir können jede Variable dieser Berechnung relativieren oder höher bewerten. Aufgrund der Ausgangssituation wird das Ergebnis auch bei abweichenden Berechnungen immer zu einem hohen ärztlichen Ressourcenbedarf führen. Die Diagnostik ist dann noch nicht abgeschlossen, sondern es wird nur für die notwendige, weiterführende Diagnostik gefiltert. Ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Patienten muss einer Liquordiagnostik (Untersuchung des Nervenwassers) sowie einer bildgebenden Diagnostik zugeführt werden.

Anschließend müssen die personellen und zeitlichen Ressourcen für die Durchführung der Therapie selbst und das Monitoring bedacht werden. Dies hängt von den Zulassungsdetails ab, es gibt aber schon publizierte Entwürfe. Insbesondere die im MRT sichtbaren und erwartbaren zerebralen Entzündungsreaktionen müssen bewertet werden und ggf. zu einer Therapieanpassung führen. Aus vergleichbaren Therapiesituationen etwa im Bereich der Versorgung von Patienten mit Multipler Sklerose wissen wir, dass der zusätzliche Aufwand für die Organisationen erheblich ist. Bei der Alzheimerdemenz haben wir es mit deutlich höheren Prävalenzen zu tun. Kann ein Teil der grundlegenden Basisdiagnostik noch mit Allgemeinmedizinern zusammen bewältigt werden, wird die Therapie realistischerweise im Facharztsektor verbleiben.

Perspektive GESELLSCHAFT

Perspektive GESELLSCHAFT

Wie kann die neuropsychiatrische Versorgung sichergestellt werden, um die Zahl an chronisch Erkrankten, arbeitsunfähigen Personen mit reduzierter gesellschaftlicher Teilhabe nicht weiter zu erhöhen bzw. zu reduzieren?

Die Resilienz der Gesellschaft erhöhen.

Wir müssen die Versorgung optimieren und einen schnelleren Zugang für die Behandlung der Betroffenen von neuropsychiatrischen Erkrankungen schaffen.

Zur Sicherstellung der neuropsychiatrischen Versorgung und Reduzierung der Zahl chronisch Erkrankter mit eingeschränkter gesellschaftlicher Teilhabe ist es entscheidend, die Resilienz der Gesellschaft zu stärken. Dies kann durch gezielte Präventionsmaßnahmen und Aufklärung über psychische Gesundheit erfolgen, um die Entstehung von Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. 

Kosten allgemein im niedergelassenen Bereich:

  • Zulassung einer spezifischen und frühen Demenztherapie würde ad hoc zu einer erheblichen Bindung von personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen führen. Es gibt also gute Gründe, sich bereits jetzt mit Herausforderungen auf der Grundlage künftiger Zulassungen zu beschäftigen, weil wir davon ausgehen müssen, dass dies eine Herausforderung für die Versorgungsstrukturen und -abläufe sowie die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems in Deutschland bedeuten würde.
  • Patientenpfade, Delegation von Leistungen, intelligente und sektorübergreifende Netzwerkstrukturen und eine daran angepasste Vergütungsstruktur sind die berufspolitischen Themen, mit denen wir uns weiter beschäftigen werden. Frühe Demenzerkrankungen sind hierfür ein Maßstab.
  • Realistische und gelenkte Wissenschafts- und Versorgungskommunikation für die Gesamtbevölkerung von oberster Priorität, da sonst ein Versorgungsanspruch suggeriert wird, welcher in der Realität (s. Bsp. 6 Mio Arbeitsstunden/Jahr für eine Diagnose/Therapieindikation) nicht abbildbar ist.

Neuer Blickwinkel: Was kostet es die Gesellschaft, keine Patienten mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems zu behandeln, statt was kostet es Patienten mit ZNS-Erkrankungen zu behandeln?

Es ist günstiger in Hirnforschung, Seelen- und Hirngesundheit, Prävention und Resilienz zu investieren, als bereits Erkrankte zu behandeln.

Perspektive RESSOURCEN

Perspektive RESSOURCEN

Wie kann die medizinische und pflegerische Nachwuchsgewinnung nachhaltig gefördert werden?

Neue Ressourcen schaffen und sichern.

Wir müssen dem Fachkräftemangel im medizinischen und pflegerischen Bereich entgegenwirken, indem wir die Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten und eine faire Entlohnung ermöglichen

Wertschätzung im Umgang mit ärztlichem und nichtärztlichem Personal und damit Nachwuchsgewinnung.

Medizinische Versorgung der verschiedenen Demenzen vorherrschend im ambulanten Bereich in der Facharztgruppe

  • 71 Prozent aller niedergelassenen Fachärzte (FÄ) für Neurologie, 68 Prozent aller niedergelassenen FÄ für Psychiatrie (und Psychotherapie) und 97 Prozent aller FÄ für Nervenheilkunde sind über 50 Jahre alt
  • 10 Prozent aller Mediziner vor dem Rentenalter sind oder gar nicht ärztlich tätig
  • 20-25 Prozent aller Mediziner, die ärztlich tätig sind, arbeiten nicht in der direkten Patientenversorgung (Pharmabranche, Redaktionen, Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD))
  • Zahl der Facharztanerkennungen für Neurologie steigt durchschnittlich pro Jahr um 2 Prozent in den letzten 10 Jahren
  • Frauenanteil aller erlangten Anerkennungen der FÄ für Neurologie beträgt 60 Prozent
  • Jeder fünfte FA/FÄ für Neurologie möchte sich in den nächsten drei Jahren niederlassen oder als angestellte/r Arzt/Ärztin arbeiten

Verlust von 2/3 aller niedergelassenen FÄ unserer Fachgruppe durch Berentung in den kommenden 15 Jahren. Demgegenüber ein Zuwachs an neuen Fachärzten unserer Fachgruppe mit einem Zuwachs von 2 Prozent pro Jahre

Defizit von rund 30 Prozent aller niedergelassenen FÄ, die in der Versorgung in 15 Jahren fehlen

Lösungsansätze: Adhärenz (Einhaltung der gemeinsam gesetzten Therapieziele) der fertig ausgebildeten Mediziner und Medizinerinnen in der Arbeit am Patienten erhöhen (Arbeitszeitmodelle, attraktives Arbeitsumfeld mit Kinderbetreuung, Vergütung, Bürokratieabbau), Schaffung neuer Medizinstudienplätze, Ausbau von Physician Assistant (medizinischer Assistenz) und spez. Medizinische Fachangestellte (MFA).

Perspektive KOSTEN

Perspektive KOSTEN

Wie können eine bessere Entlohnung und faire Arbeitsbedingungen geschaffen werden, um eine optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten?

Die finanzielle Versorgung optimieren.

Wir müssen sicherstellen, dass ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Patientinnen und Patienten bestmöglich medizinisch versorgt und betreut werden können.

Das Fundament der vertragsärztlichen Versorgung ist die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel. Nur durch adäquate und an aktuelle Umstände angepasste Bezahlung können Arbeitsbedingungen geschaffen werden, in denen Patienten nach aktuellem Stand der Wissenschaft versorgt werden können.

Kosten allgemein im niedergelassenen Bereich:

  • Honorarumsatz je FA für Neurologie in Q1 2021: Mittelwert 473,85 EUR (5,1 Prozent mehr als 2020).
  • Honorarumsatz je Behandlungsfall in Q1 2021: Mittelwert 75,32 EUR (9,7 Prozent mehr als 2020)
  • 44,8 Mrd. EUR wurden 2021 in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die ambulant ärztliche Versorgung ausgegeben, was einem Anteil von 15,7 Prozent an den Ausgaben insgesamt entspricht. Somit ist dieser Sektor der zweitgrößte nach den Ausgaben für den stationären Bereich (Krankenhaus).

Faktenbezug zur Demenz:

  • Durchschnittlichen Kosten von Demenz liegen im leichten Krankheitsstadium bei etwa 15.000 EUR jährlich und steigen bei schwerer Demenz auf rund 42.000 EUR jährlich (Pflegebedarf Hauptfaktor, Arzneimittelkosten bisher <5 Prozent, Stand: 2014)
  • Zwei Drittel der Kosten entfallen auf die informelle Pflege in der Familie, eine Kostenkategorie, die in vielen Studien bislang nicht angemessen berücksichtigt werden konnte und die bei entsprechender Erfassung die Kostenberechnung dominiert. Sie belaufen sich auf 50 bis 65 Prozent der Gesamtkosten der Betreuung demenziell erkrankter Menschen.
  • Mehrheit der Patienten lebt zu Hause: indirekte Kosten durch Lohn-/Produktivitätsausfall

 

Zukunft: Antikörpertherapiekosten (s. Bezug zu Punkt 3 bei Patienten)

Aducanumab (mAK gg. ß-Amyloid – in den USA entwickelter Wirkstoff zur Behandlung von Alzheimer – Zulassung im „accelerated program“ der US Food and Drug Administration (FDA), in Europa keine Zulassung).

  • Eine Infusion 4.312 US-Dollar (75kg Patient) alle 4 Wochen wiederholt: jährliche Behandlungskosten von etwa 56.000 US-Dollar
  • Führt bei jedem 3. Patienten zu lokalisierten Hirnödemen (ARIA-E) und bei jedem 5. Patienten zu Hirnblutungen (ARIA-H) -> Kontroll MRT notwendig
  • Kosten für MRT und Liquorpunktionen (Untersuchung des Nervenwassers) + Arbeitszeit inkludiert: jährliche Therapiekosten von 100.000 US-Dollar pro Patient

Weitere Antikörper Lecanemab, Donanemab und verbesserte Biomarker „brain-derived tau“ (neuer Biomarker)

Perspektive POTENTIALE

Perspektive POTENTIALE

Wie können die medizinische Qualität und die Versorgung nachhaltig erhöht, gleichzeitig bürokratische Hürden abgebaut und das Arzt-Patienten-Verhältnis verbessert werden?

Die Potentiale erkennen und ausbauen.

Wir müssen qualifizierte Mediziner stärker in die ambulante Versorgung einbinden, um durch schrittweise Ambulantisierung Patientinnen und Patienten direkt und gezielt behandeln zu können.

Aktuelle Entwicklungen in der Facharztgruppe

  • In 50 Prozent der Facharztpraxen unserer Fachgruppe verließ nicht-ärztliches Personal in den letzten zwei Jahren die Praxis in Richtung berufliche Umorientierung, Krankenhaus oder Berentung

  • 8 von 10 Facharztpraxen unserer Fachgruppe haben in 2021/2020 ärztliches oder nichtärztliches Personal gesucht
  • Jeder zweite Arzt in der vertragsärztlichen Versorgung arbeitet in Gemeinschaftspraxen oder einer Einrichtung wie einem Medizinischen Versorgungszentrum. Diese Tendenz führt dazu, dass es an weniger Standorten als bisher Angebote für die ambulante Versorgung gibt. Dies zeigt die Zahl der Praxen: Innerhalb von zehn Jahren (2010-1019) gab es deutschlandweit einen Rückgang von 14,3 Prozent.

  • Zahl der angestellten Ärzte im niedergelassenen Bereich vor 10 Jahren exponentiell gestiegen, nun jährlich etwa 3 Prozent Zuwachs im Vgl. zum Vorjahr

Ärzteblatt 2019: „Dem allgemeinen Anstieg an berufstätigen Ärzten steht ein ungebrochener Trend zu weniger Arbeitszeit und häufigeren Teilzeitbeschäftigungen gegenüber. Insbesondere Ärztinnen legen demnach großen Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Von ihnen arbeiteten 2019 rund 41 Prozent üblicherweise weniger als 40 Stunden pro Woche. Bei deren männlichen Kollegen lag dieser Wert bei 16 Prozent. 11 Prozent der Ärztinnen und 5 Prozent ihrer männlichen Kollegen arbeiten weniger als 21 Stunden pro Woche.“

  • Pressemitteilung der KV Rheinland-Pfalz vom 05.01.2021, Seite 6: „… arbeiten angestellte Ärzte mit 23 Wochenstunden im Vergleich zu 49 Stunden im Mittel 47 Prozent der Zeit von Selbständigen. Durch den steigenden Anteil an angestellten Ärztinnen und Ärzten verringert sich so pro Minute rechnerisch in allen deutschen Praxen die verfügbare ärztliche Arbeitszeit um 474 Minuten. Alle vier Stunden geht der Versorgung damit quasi eine Ärztin oder ein Arzt „verloren“.

Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) läuft eine digitale Uhr, die diesen Arztzeitverlust anzeigt: Trotz der zunehmenden Zahl an Ärzten wird die geleistete Arbeitszeit von 2017 bis 2025 von 19 auf 16,7 Mrd. Minuten abnehmen, also um rund 12 Prozent.

 

Lösungsansätze: Adhärenz (Einhaltung der gemeinsam gesetzten Therapieziele) der fertig ausgebildeten Mediziner und Medizinerinnen in der Arbeit am Patienten erhöhen (Arbeitszeitmodelle, attraktives Arbeitsumfeld mit Kinderbetreuung, Vergütung, Bürokratieabbau), Schaffung neuer Medizinstudienplätze, Ausbau von Physician Assistant (medizinischer Assistenz) und spez. Medizinische Fachangestellte (MFA).

Die Resilienz der Gesellschaft steigern

Die sozialen und volkswirtschaftlichen Folgen neuropsychiatrischer Erkrankungen belasten die gesamte Gesellschaft, weil sie viele Auswirkungen auf das alltägliche Leben in der Gemeinschaft sowie auf die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Bevölkerung haben. Daher müssen Wege gefunden werden, durch geeignete Maßnahmen im Gesundheitssystem die Resilienz in der Gesellschaft zu erhöhen.

Dr. med. Uwe Meier

1. Vorsitzender Berufsverband Deutscher Neurologen

Die Zukunft unserer Gesellschaft stärken

Kinder und Jugendlichen werden schon bald die Lasten unseres Landes tragen. Viele von ihnen bedürfen schon früh eine medizinische Unterstützung. Jeder Euro, der heute in die gesunde Entwicklung der nachfolgenden Generation investiert wird, steigert morgen unsere Zukunftsfähigkeit.

Dr. med. Gundolf Berg


Vorsitzender Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland

Krisen im Leben besser bewältigen

Nicht selten sind es Krisen und negative Einwirkungen von außen, die zu psychiatrischen Störungen bei den Betroffenen führen. Ungelöste Probleme und Hilflosigkeit bergen ein hohes Potenzial an Suchtgefahr oder Essstörungen. Hier geht es um schnelle Diagnosen und wirksame Therapien.

Dr. med. Sabine Köhler

Vorsitzende im Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN)

Depressionen haben nicht immer äußere Ursachen

Im Leben eines Menschen gibt es negative Ereignisse oder Schicksale, die zu einer Erkrankung des Gemüts führen. Es ist aber falsch, sich im Einzelfall über die Ursachen den Kopf zu zermartern. Denn Depressionen sind häufig Erkrankungen, die sich Einflüssen von außen entziehen. Dann ist psychiatrische Hilfe umso wichtiger.

Dr. med. Klaus Gehring

Vorsitzender im Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN)

Ganzheitliche Betrachtung von Patienten

Gesundheit wie auch Krankheit der Psyche entstehen aus vielen Faktoren im Leben eines Menschen. Um die Ursachen zu verstehen und erfolgreiche Therapien zu entwickeln, bedarf es qualifizierter fachärztlicher Beratung. Eine ausreichende Versorgung der Patienten ist dabei essentiell.

Dr. med. Irmgard Pfaffinger

Vorsitzende Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Deutschlands (BPM)

Ängste in unsicheren Zeiten

Früher lebten die Menschen in einer kleinen und übersichtlichen Welt. Die Globalisierung hält heutzutage via TV oder Internet Bilder und Nachrichten von jedem Flecken der Erde bereit. Häufig sind es erschreckende Eindrücke. Es wundert nicht, wenn die weltweiten Probleme Ängste auslösen. Damit muss unsere Gesellschaft umgehen.

Dr. med. Christa Roth-Sackenheim

Vorsitzende Berufsverband deutscher Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie (BVDP)

Akzeptanz für psychische Erkrankungen

In einer Gesellschaft, die eher Stärke vom einzelnen fordert und Schwäche weniger toleriert oder lieber verschweigt, ist eine psychische Erkrankung für viele Betroffene auch ein gesellschaftliches Problem. Eine bessere Aufklärung in der Öffentlichkeit kann und muss hier mehr Akzeptanz schaffen.

Ingrid Moeslein-Teising, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Vorsitzende des Berufsverbandes ärztlicher Psychoanlytikerinnen und Psychanalytiker in der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie

Wichtige Signale des Körpers

Schmerzen sind in gewisser Weise nützlich. Sie signalisieren uns, dass irgendetwas mit dem Körper nicht in Ordnung ist. Wir sollten diese Signale ernstnehmen, ohne in Angst zu verfallen. Eine qualifizierte fachmedizinische Diagnose und anschließende Therapie können das Problem für viele Menschen lindern oder die Beschwerden im Idealfall ganz heilen.

Priv. Doz. Dr. med. Charly Gaul, Facharzt für Neurologie, Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie

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