Richtig trauern
Sei es der Tod eines geliebten Menschen, der Verlust von lieb gewonnenen Ritualen und materiellen Besitztümern von hohem emotionalem Wert, oder aber Herzschmerz und Liebeskummer – Trauer ist auch in krisenlosen Zeiten stets eine Herausforderung.
Oft braucht es eine gewisse Zeit, bis die durch emotionale Belastungen und Traumata verursachte Trauer langsam schwindet und vorübergeht.
Die Trauer wird in der Literatur je nach Phasenmodell in drei bis vier Phasen unterteilt. Trauer verläuft dabei nicht linear und ist von Person zu Person unterschiedlich ausgeprägt. Das Trauerphasenmodell der Psychologin Verena Kast teilt in vier Phasen der Trauer ein.
In der ersten Phase des „Nicht-wahrhaben Wollens“ löst die Nachricht über den Tod eines nahestehenden Menschen oft einen Schockzustand aus. Die von der Trauer betroffene Person will nicht wahrhaben, dass der Verstorbene nicht mehr da ist, und wirkt emotional erstarrt. In dieser Phase ist es wichtig, Unterstützung von Familienmitgliedern oder Freunden zu suchen und anzunehmen. Auch die Helfenden dürfen und sollten ihre Gefühle ausleben und offen zeigen.
Die zweite Trauerphase ist die Phase der „Wut“. Der Trauernde ist wütend und sucht die Schuld an dem Tod des geliebten Menschen bei anderen oder bei sich selbst. Neben negativen Emotionen kommen auch positive Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse auf. Als Helfer und Unterstützer der trauernden Person sollten Sie in dieser Phase in erster Linie als verständnisvoller Zuhörer agieren.
Die dritte Phase des „Suchens und Trennens“ ist geprägt von Erinnerungen an Angewohnheiten des Verstorbenen sowie von möglichen auftretenden Phantasien, dass der Verstorbene noch da sei. Dieses Gefühl des Suchens nach der geliebten Person wird auch von wechselnden Phasen tiefer Verzweiflung und Depressionen über den erlittenen Verlust begleitet.
In der vierten Trauerphase der „Akzeptanz“ steht nicht mehr der Tod des Verstorbenen im Mittelpunkt des Denkens und Fühlens der von dem Verlust betroffenen Person. Es beginnt sich eine neue Art des Selbst- und Weltbezugs zu entwickeln, bei der der Trauernde versteht, dass es in Ordnung ist, das eigene Leben anders zu leben und neue Möglichkeiten anzunehmen, die vor dem Tod des Verstorbenen nicht existiert haben. Der Trauernde gewinnt in dieser Phase neues Selbstvertrauen, sowie den Mut, sein Leben neu oder anders zu gestalten. Auch in dieser Phase kann es zu Rückfällen kommen, die durch neue emotionale Belastungen ausgelöst werden können.
Während die Trauer bei einigen Menschen eine Art Schockzustand auslöst, können Menschen mit Resilienz, einer starken seelischen Widerstandskraft, die Trauer meist schneller verarbeiten. Personen ohne ausgeprägte Resilienz ziehen sich in dem Trauerzustand zurück und können den Verlust meist nicht annehmen. Es gelingt ihnen nicht, sich aus eigener Kraft aus dem Trauerkreislauf zu befreien, und benötigen seelischen Beistand und professionelle fachärztliche Unterstützung zur Trauerbewältigung.*
* https://www.zeit.de/zeit-wissen/2011/06/Psychologie-Trauer/seite-2
Damit die Trauerarbeit und das Verwinden über den Verlust gelingen, ist es wichtig, die Trauer und die damit verbundenen Emotionen zuzulassen und nicht zu verdrängen. Denn nur durch eine aktive Trauerarbeit kann der Verlust akzeptiert und soweit überwunden werden, dass der von der Trauer Betroffene neuen Lebensmut schöpft, um wieder Platz für die positiven und schönen Dinge des Lebens zu schaffen.
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